Colorado

Die Fahrt durch die Rocky Mountains nach Denver wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis. Die Strasse schlängelte sich elegant durch das Bergtal und stieg unmerklich immer höher. Die Steigung bis auf die Passhöhe war so sanft, dass man eigentlich immer das Gefühl hatte, in einer flachen Tal-Ebene zu fahren. Und auch die Fahrbahn war kein Vergleich zu den gewohnten Bergstrassen in Europa. Hier dröhnten die Pickups und die Trucks auf einer 4 spurigen Autobahn den Berg hoch und auch wir fuhren im 5ten Gang mit 80 km/h der Passhöhe entgegen während die Temperaturen draussen um den Nullpunkt pendelten. So stiegen wir, von einer gewaltigen, schneebedeckten Bergwelt umgeben immer höher, während es draussen langsam dunkel wurde und der anfängliche Regen sich zu einem ansehnlichen Schneesturm entwickelte. Immer wieder überprüften wir mit unserem Navigationssystem unsere „Flughöhe“ und stellen etwas beunruhigt fest, dass wir schon längst die 3000 m.ü.M-Marke geknackt hatten. Colorado ist dafür bekannt, dass ein Schneesturm innert weniger Minuten 50 cm Neuschnee auf die Strasse blasen kann. Deshalb waren wir mehr als erleichtert, als auf 3340 m.ü.M. die Passhöhe erreicht war. Wir waren fest entschlossen den vorhergesagten Schneemassen zu entkommen und düsten die Serpentinen hinunter bis die Bremsbacken glühten. Das Regenwasser hatte sich zu grösseren Seen auf der Strasse gesammelt und als uns dann noch ein Pickup überholte, hatten wir gerade selber das Gefühl, einen See durchquert zu haben, denn unsere Windschutzscheibe war voller Wasser und für einige Sekunden konnten wir nichts mehr sehen. Unsere Herzen pochten einige Schläge schneller und das Adrenalin war deutlich spürbar. Puhhh, alles gut gegangen. In Denver parkten wir vor dem Walmart und während Stefan die müden Kinder mit einer Gute-Nacht-Geschichte in den Schlaf plauderte, shoppte Heike durch das Einkaufszentrum um den Kühlschrank wieder zu füllen.

Trauma mit TRUMA

„Schnee“ brüllte Noam am nächsten Morgen – und riss damit alle aus dem Schlaf. Draussen tanzten die Flocken einen wilden Tanz um unser Wohnmobil während drinnen die Temperaturen auf 10 Grad Celsius gesunken waren. Unsere Gas-Zufuhr von TRUMA (Seco-Motion) hatte über Nacht ohne unser Zutun entschieden, das Propan-Gas abzudrehen. Immer wieder versuchte Stefan (in Pyjama-Hosen und einem dicken Pullover), den TRUMA Regler dazu zu bewegen, unsere Heizung, den Kühlschrank und den Kochherd mit Gas zu versorgen. Mit etwas Kreativität schaffte unser Bord-Engineer die Gaszufuhr so zu „manipulieren“ dass zumindest jeweils ein Gerät funktionierte. Im Familienrat wurde deshalb kurzerhand folgender Plan ausgehandelt:

  1. Mit Kochherd Kaffee und Tee kochen (ohne Heizung und laufendem Kühlschrank)
  2. Kühlschrank einschalten und gemeinsam frühstücken (ohne Heizung dafür mit dickem Pullover)
  3. Heike und die Kinder gehen in Denver ins Kindermuseum, während Stefan einen lokalen TRUMA-Vertreter besucht, damit wir einen neuen Gas-Regler bekommen

Gemäss dem Internet gab es ein kleines Familienunternehmen in Denver, dass für TRUMA Produkte Service-Leistungen anbot. Stefan wurde vom Mechaniker und dem Boss der Firma freundlich empfangen. Sie kümmerten sich umgehend um unseren „Patienten“ und holten sich von TRUMA per Telefon noch weiteren Expertenrat ein. Nach rund einer Stunde einigten wir uns an der gemeinsamen Lagebesprechung darauf, den Gas-Regler inkl. Druckflaschen und Zuleitungen durch amerikanische Produkte zu ersetzen.

Die Firma TRUMA versprach ihrerseits ein dafür notwendiges Übergangselement per Post zu schicken, damit der neue Regler aus den USA an das europäische Gewinde angeschlossen werden konnte. Somit vereinbarten wir einen Montagetermin für in 3 Tagen.

Die Kinder hatten sich derweil im Kindermuseum ausgetobt. Nach einer kleinen Stärkung fuhren wir von Denver weiter nach Fort Collins wo die Familie Warren seit einem Jahr wohnt. Tamara, die Mutter 3er Kinder ist in der Schweiz aufgewachsen. Stefan kennt sie seit über 18 Jahren. Antony, ihr Mann kommt aus den USA und studiert z.Z. in Fort Collins. Wir freuten uns sehr auf den Besuch und die gemeinsame Zeit bei den Warren’s. Bei leckeren Tortillas und Salat liessen wir den Abend ausklingen während die Kinder bis spät in die Nacht durch das Haus tobten.

„Colorado is great“

Nach den Schneestürmen der letzten Tage verbesserte sich das Wetter in Colorado zusehends. Mit 300 Sonnentagen, einem herrlichen Bergpanorama und vielfältigen Industriezweigen lockt die Region um Denver viele US Bürger an. Die Region ist im Aufschwung und wir verstehen die Euphorie. Colorado ist wirklich sehr schön .. nur das Meer ist etwas weit weg.

Im Discovery Museum von Fort Collins gab es vieles zu entdecken und die Zeit verging in Lichtgeschwindigkeit sodass wir fast zu spät zur Lego-Challenge in die Bibliothek kamen. Hier bauten die Kinder eifrig an einem Jungle-Camp aus Lego während wir Eltern über das Internet die Korrespondenz erledigten und die Homepage erweiterten. Am Sonntag schlenderten wir durch den Second Hand Markt und kaufen für Noam neuwertige Cowboy-Hemden für 3 Dollar das Stück und für Jala einen pfiffigen Sonnenhut und schicke Leggins. Als Sonntagsnachmittag-Programm fuhren wir zu einem der zahlreichen Wohnmobil-Händler. Vor der grossen Ausstellungshalle standen über 200 Wohnmobile und Wohnwagen die alle offen waren und besichtigt werden konnten. In der Ausstellungshalle besichtigten wir die grossen A-Klasse Mobile. Diese Fahrzeuge kosten rund 200’000 Dollar, bieten viel Platz für 2 Personen, haben meist 4 riesige TV-Geräte sowie Waschmaschine und Trockner eingebaut und schlucken rund 40 Liter Sprit auf 100 km. Wir haben uns bis zu diesem Tag immer gewundert, warum die teuren Campingplätze mit sogenanntem „Full-Hockup“ (bedeutet: Strom, Wasser, Abwasser und TV-Antenne) immer komplett ausgebucht sind. Die Wohnmobile in den USA benötigen eine 50 Ampere Steckdose damit die Bord-Elektronik einwandfrei funktioniert während unser Carthago auch mal 3 Tage ohne Steckdose über die Runden kommt. Je länger wir auf Reisen sind, desto mehr schätzen wir unseren Carthago e-Liner!

Schopping in Boulder

Am Montag fuhren wir in eine hippe Kleinstadt namens Boulder. Etwas ausserhalb der Stadt gab es eine Dodge-Werkstadt die nach unseren Vorabklärungen auch einen Ölwechsel an unserem FIAT Ducato durchführen können sollte. Wir fuhren ohne Voranmeldung direkt in die Werkstadt und wurden freundlich empfangen. Die Fachmänner überprüften zuerst anhand früherer Service-Dokumente aus der Schweiz, ob sie das passende Material (wie Luftfilter, Ölfilter usw.) an Lager haben und begannen dann auch gleich mit dem Service. Zwei Stunden später bekamen wir unseren Carthago  mit einem umfassenden Testbericht und einer detaillierten Rechnung zurück. Wir können es kaum glauben. Der gesamte Service inklusive Öl kostete uns nur 119 Dollar. Wir sind begeistert!

Die Schopping-Meile von Boulder sorgte dann für einen weiteren Begeisterungssturm. Die autofreie Fussgängerzone war mit herrlichen Tulpen dekoriert, der Blick auf die nahen Bergketten der Rocky Mountains atemberaubend und die Einkaufsläden phantastisch. Zum Glück ist der Platz in unserem Wohnmobil beschränkt, sonst hätten wir hier gut und gerne ein Vermögen ausgegeben. Von hier aus fuhren wir zum Übernachten direkt nach Denver, denn am nächsten Morgen wollten wir pünktlich um halb neun bei der Wohnmobil Werkstadt sein.

Die Solaranlage

Bereits 30 min vor der offiziellen Öffnung der Zoo-Kassen standen Heike und die Kinder vor den Eingangstoren des Zoos von Denver. Hier wollten sie den Tag mit den Tieren geniessen während der Papa mit den Männern von Trailer-World Denver den Gas-Controller auswechselte. Als Stefan jedoch bei der Firma vorfuhr, wurde er bereits beim Eingang vom Mechaniker abgefangen, denn das Übergangsstück, dass per Post bereits am Vortag hätte ankommen sollen, lag immer noch auf der Post in Denver. Kein Problem fand Stefan, dann bauen wir in der Zwischenzeit eine Solaranlage in unseren Carthago ein. Diese brauchen wir für die USA noch nicht, aber in Mexiko wird uns diese Anlage sehr viel autonomer machen. Ein kleines Photovoltaik Panel mit 40 Watt Leistung ist bereits ausreichend, damit wir ohne Steckdose 10 Tage an einem Ort in der Wildnis campieren können. Stefan entschied sich für eine „mobile Variante“ anstelle einer „fixen“ auf dem Dach des Wohnmobils. D.h. das Solar-Panel kann innert weniger Minuten aufgebaut und in der prallen Sonne aufgestellt werden während unser Wohnmobil an einem schattigen Ort parkt. Mit dem Mechaniker baute Stefan zwei Steckdosen ein. Das ganze dauerte rund 3 Stunden. Wir bezahlten für das Panel 300 Dollar und für die Montage inkl. Material schlappe 65 Dollar. Nur leider war auch nach dem Mittagessen der Postbote immer noch nicht aufgetaucht. So blieb uns nichts anderes übrig, als die Reparatur der Gas-Anlage um einen weiteren Tag zu verschieben.

Schwitzen beim Tierarzt

Während die Kinder mit Heike die vielen Tieren im Zoo beobachteten, beschloss Stefan mit Emma zum Tierarzt zu fahren, denn die Jahresimpfung für unseren Wach- und Familienhund war längst überfällig. Wir wurden ohne Voranmeldung herzlich empfangen und nach einer Wartezeit von 10 min ins Behandlungszimmer gebeten. Eine Arzthelferin untersuchte Emma’s Gesundheitszustand und stellte dem Besitzer viele Fragen, während sie fleissig im Computer ein Protokoll verfasste. Dann verliess sie das Zimmer mit der Bemerkung „Der Arzt kommt gleich zu ihnen“. Einige Minuten später kam dann die besagte Tierärztin in das Behandlungszimmer und begann ebenfalls mit einer umfassenden Untersuchung von Emma, die gleichgültig alles über sich ergehen liess. Die Ärztin war sichtlich begeistert von Emma und schwärmte in den höchsten Tönen von unserem Hund während der Hundehalter mit stolz geschwelter Brust die Komplimente genoss. Nun verliess die junge Ärztin erneut den Behandlungsraum mit dem Kommentar, „.. ich möchte noch kurz meine Kollegin holen“. Jetzt wurde es Stefan Angst und Bange, denn er wollte ja nur eine kleine Spritze für den Hund und keine umfassende Gesundheitsanalyse. „Das gibt sicherlich mal wieder eine fette Tierarzt Rechnung“ dachte Stefan (siehe Kapitel Teure Socken im Blog von New York). Kurze Zeit später betraten  zwei Tierärzte den Behandlungsraum. Eine hielt den Hund und die andere verabreichte die Spritze während Emma in aller Ruhe und ohne mit der Wimper zu zucken alles über sich ergehen liess. „Das war’s .. ich begleite sie nun zur Kasse“ sagt die Ärztin sichtlich erleichtert. An der Kasse sass ein junger Mann, der nun sämtliche Anweisungen der Ärztin in einen Computer eingab und dann den Hundehalter fragte: „Zahlen sie in bar oder mit Kreditkarte“. „Au weija ..“ dachte Stefan, „ .. gut habe ich die Kreditkarte bei mir.“ „Also Herr Broder, dann bekomme ich von ihnen 34 Dollar für die Behandlung“, sagt der Kassier hinter dem Tresen. „Was .. das ist ja lächerlich.“ dachte Stefan grinsend und bezahlt in Bar. So billig war in der Schweiz nicht einmal der Impfstoff.

Eine neue Gas-Anlage

Am nächsten Tag fuhren wir als ganze Familie wieder zu Trailer-World nach Denver. Leider war das Paket immer noch nicht geliefert worden. So assen wir zuerst beim Mexikaner einen Happen und hofften, dass am frühen Nachmittag der Postbote endlich das lang ersehnte Teil abliefern würde. Als wir nach dem Mittagessen erneut in das Büro der Firma trampelten, informierte uns der nette Chef, dass er eine Firma gefunden habe, die einen Adapter für uns herstellen und eine komplette Gas-Anlage einbauen könnten. Er übergab uns einen Zettel mit der Adresse. Wir fuhren zur besagten Adresse und wurden dort von 4 kläffenden Hunden auf einem Areal empfangen, welches mehr an einen Schrottplatz als an eine Gas-Firma erinnerte. Der Besitzer – ein 84 jähriger Haudegen mit Krückstock – hiess uns herzlich willkommen während er seinen 3 Angestellten klar und unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie solche Glasfaser-Druckflaschen (die wir bis anhin benutzt hatten) sofort konfiszieren müssten, weil die in den USA aus Sicherheitsgründen verboten sind. Dann bauten sie unsere Anlage komplett aus und verschwanden für mehr als 90 min komplett von der Bildfläche. Während dieser Zeit schaute sich Stefan etwas im firmeneigenen Zubehörladen um. Dort herrschte ein wildes Durcheinander und die Staubschicht in den Regalen war so dick, dass von den toten Fliegen nur noch das Laufwerk zu erkennen war. Die Fenster liessen kaum das grelle Sonnenlicht in den Raum während einer der Hunde auf den Tischen herumspazierte und dabei die Essensresten früherer Malzeiten aufleckte. „Wenn das nur gut kommt.“  dachte Stefan.

Plötzlich sprang die Tür einer alten Baracke auf und der Boss schritt mit seinen 3 Mitarbeitern und einer neuen Gaskonstruktion auf unser Wohnmobil zu. Der Einbau verlief rund und sämtliche Anschlüsse passten perfekt aufeinander. Wir bekamen 2 neue Gasflaschen und eine detaillierte Einweisung in die neue Anlage. Unter der strengen Aufsicht des Firmenchefs überprüften die Mitarbeiter die Dichtigkeit und den Gas-Fluss der neuen Anlage. Wir waren begeistert, denn diese Firma hatte extra für uns ein Übergangsstück hergestellt, damit wir ohne Aufwand (zu einem späteren Zeitpunkt) auf eine europäische Anlage wechseln können. Jetzt waren wir definitiv bereit für das nächste Abenteuer im Yellowstone National Park. Hier erwarten uns nochmals winterliche Temperaturen, denn wir werden im Yellowstone 5 Tage lang auf über 2000 m.ü.M. übernachten. Ob die neue Gas-Anlage diesen Härte-Test besteht, erfährst du dann im nächsten Bog vom Yellowstone. Bis dann!

2016-11-07T05:09:15+01:00