Der Norden von Kalifornien

Nach den vielen National Parks der letzten Monate war unser Durst nach Meer und Strand riesig. Deshalb beschlossen wir von Wyoming ziemlich zügig und auf direkten Weg an die Westküste zu fahren. Gleichzeitig war uns bewusst, dass wir die 980 Meilen (1580 km) nicht einfach am Stück durchfahren können. Unseren erster Zwischenstopp verbrachten wir in Idaho Falls um den leer geräumten Kühlschrank wieder zu füllen und auch der Wäscheberg hatte nach den Tagen in der Wildnis ebenfalls eine beachtliche Höhe erreicht. Unser nächster Zwischenstopp sollte bei den „Craters of the Moon“ sein. Dieser National Park ist für die bizzaren mondähnlichen Felsformationen bekannt. Doch da das Wetter etwas unsicher war, verabschiedeten wir uns von dieser Idee und fuhren nach Salt Lake City, dass uns mit viel Sonnenschein und einem Musik-Festival empfing.

Geduldsprobe in Salt Lake City

Wir parkierten unseren Carthago in der Stadtmitte ganz in der nähe vom Liberty Park nichts ahnend, dass an diesem Wochenende ein Musikfestival statt fand. Die zahlreichen Spielplätze waren mit Kleinkindern so überlaufen, dass unsere Kinder im Gewusel von Knirpsen fast verloren gingen. Unsere Bäuche waren leer und Stefan stellte sich tapfer in eine der langen Menschenschlangen, die sich vor den zahlreichen Food-Trucks gebildet hatten. Nach 30 min und einem spannenden Gespräch mit einem Mormonen-Paar war Stefan an der Reihe um seine Bestellung aufzugeben. Jetzt war nochmals etwas Geduld gefordert, denn die Menschenmenge, die bei der Essensausgabe wartete war genau so gross. Nach über einer Stunde hielt Stefan endlich das Nachtessen in den Händen und musste nun wieder in der Menschenmenge der Rest der Familie finden. Diese Pommes und die Burgen waren bei weitem das Beste, was wir in den USA gegessen haben 😉

Es ist für uns immer wieder erstaunlich mit welcher Geduld die Menschen in den USA auf etwas warten können. Vor vielen „guten“ Restaurants warten Menschen in einer Engelsgeduld und gut gelaunt für mehr als 30 min um überhaupt einen Sitzplatz zu bekommen.

In Nevada verbringen wir eine Nacht auf einem Casino Parkplatz und auf einem BML Land. Für uns ist es immer wieder grossartig, vielviele Optionen in den USA für eine kostenlose Übernachtung zur Verfügung stehen. Es gibt viele Orte und Möglichkeiten zum Parken, die manchmal sogar wunderschön gelegen und zudem sehr sauber und gut zugänglich sind.

Kurz bevor wir Kalifornien erreichten gab es nochmals einen Familienrat. Die Frage die es zu klären gab war keine einfache: Fahren wir hoch in Richtung Oregon in den Redwood National Park oder nach Westen in Richtung San Francisco damit wir mehr Zeit am Beach verbringen können? Wir haben uns für die zweite Variante entschieden.
(In der Zwischenzeit haben wir in L.A. und San Diego viele Menschen getroffen, welche die Küstenregion von Oregon in den höchsten Tönen loben. Deshalb mussten wir einige Wochen später nochmals einen Familienrat abhalten)

Yosemite National Park

Auf keinen Fall verpassen wollten wir einen Besuch im Yosemite National Park, der im Apple Betriebssystem gleich mehrfach (als Hintergrundbild und Betriebssystemname) verewigt wurde. Da die Strasse von Osten nach Westen erst am nächsten Mittag geöffnet wurde, verbrachten wir eine Nacht auf einem BML Land direkt vor dem Park. Die Fahrt zu unserem Übernachtungsplatz war mehr als abenteuerlich. Die Schotterstrasse war schmal, holprig und unübersichtlich. Unsere Scheinwerfer suchten in der Dunkelheit einen Weg durch den Wald während die Sterne in der Dunkelheit am Himmel funkelten. Der nächste Morgen beschenkte uns einmal mehr mit einem wolkenlosen Himmel und wir freuten uns auf die Fahrt über den Tioga Pass, der auf 3031 m.ü.M die Sierra Nevada mit Kalifornien verbindet. Entlang der Gebirgsstrasse türmten sich noch immer die Schneemauern und verdecken ab und an die Sicht auf das Panorama der Berggipfel.

Nach einem leckeren Mittagessen wanderten wir durch den Park – wurden jedoch nach kurzer Zeit zur Umkehr gezwungen weil der Schnee viele Wanderrouten unpässlich machte. So fuhren wir weiter in Richtung Yosemite Village und stoppten kurz bei einem Aussichtspunkt um ein Selfi-Film zu drehen. Hier wurden wir auf Schweizerdeutsch von Charlotte angesprochen. Schnell kamen wir ins Gespräch und nach wenigen Minuten erhielten wir eine Einladung von ihrer Freundin. Tracy’s Haus soll angeblich südlich von San Francisco in einer Bucht direkt am Pazifik liegen. Wir freuten uns riesig auf ein Wiedersehen und nahmen die Einladung mehr als gerne an.

Nach einer ruhigen Nacht auf einem romantisch gelegenen Forrest Campground ausserhalb des Parks fuhren wir ins Zentrum des Parks. Im Yosemite Village ist der Ansturm an Touristen so gross, dass sich auf den Strassen durch den Park lange Autokolonnen bildeten. Und auch die Suche nach einem passenden Parkplatz entwickelte sich zum Glücksspiel. Nach Monaten in Parks spürten wir so was wie einen Vorgeschmack auf die nahende Hochsaison. Wir sind dankbar und erleichtert, dass wir die National Parks der USA vor dem Ansturm während den Schulferien geniessen durften. Nach einer kurzen Wanderung zum Mirror-Lake und dem Studium einer Bärenfalle kehrten wir in das Besucherzentrum zurück. Die Kinder hatten wie immer das Junior Ranger Programm gemacht und wollten nun ihre Auszeichnung abholen. Nach dem Nachtessen verliessen wir spät Abends – nach dem grossen Verkehrschaos – den Park und fuhren in Richtung Westküste.

Tracy’s Gastfreundschaft

Nach einer angenehmen Nacht auf dem Walmart Parkplatz von Atwater erreichten wir die Pazifikküste und folgten dem Highway 1 hoch bis nach Pacifica zu Tracy’s Haus. Die Architektur der Villa war modern und die Aussicht von der Terrasse phänomenal. Wir genossen die Gemeinschaft und die Gespräche mit Charlotte und Tracy. Diese Begegnung war und bleibt für uns eine grossartige Bereicherung und Inspiration. Die Offenheit, die Gastfreundschaft und die positive Lebenseinstellung dieser Menschen waren noch lange bei uns Gesprächsstoff. Nach einem leckeren Abendessen genossen wir gemeinsam den Sonnenuntergang auf dem Pier während Noam den Krebs-Fischern in die Eimer schaute. Noam hatte in den letzten Wochen und Monaten unserer Reise ein grosses Selbstvertrauen entwickelt und spricht nun von sich aus Menschen an, wenn ihn etwas interessiert. Die Fischer am Pier hatten ihre helle Freude an Noam und präsentierten stolz ihre Beute.

San Francisco

Wir nächtigten in unserem Carthago vor Tracy’s Haus oder bei der in der Nähe gelegenen Metrostation und erkundigten von dort aus San Francisco. Noam wollte unbedingt zum Pier 39. Das Pier 39 ist eine ehemalige Bootsanlegestelle der Fisherman’s Wharf im Norden San Franciscos. Hier gab es nicht nur einen ganzjährigen Rummel mit Souvenir-Läden, Fahrgeschäften, Restaurants und einem Aquarium sondern eben auch eine Kolonie von Seelöwen. Hier sonnten sich lautstark 400 Seelöwen auf großen Pontons direkt im Hafengelände. Der Lärm der Tiere bei ihren Streitereien um den besten Sonnenplatz war ohrenbetäubend und das bunte Treiben für uns alle ein Spektakel. Natürlich durfte auch eine Fahrt über die weltbekannte Golden Gate Bridge nicht fehlen. Die Stadt selbst war täglich in einen mystischen Nebel eingehüllt und es wehte uns immer mal wieder ein kühlender Wind um die Ohren während wir bei einem leckeren Eis die Aussicht auf die ehemalige Haftanstalt Alcatraz genossen. Als wir jedoch die bekannte Lombard Street besuchen wollten mussten wir mit einer stinkenden Kupplung wieder drehen, weil die Zufahrt zu steil für unser Wohnmobil war. Die Lombard Street ist einer der steilsten Strassen der Stadt mit einem Gefälle von 27 Prozent, was für viele Autos und auch Fussgänger problematisch ist. Daher wurde sie 1923 in Serpentinenform als Einbahnstraße (bergabführend) umgebaut. Die gepflasterte Strasse besteht nun auf einer Distanz von 145 Metern aus acht Kurven. Einen weiteren Tag verbrachten wir auf dem Spielplatz des riesigen Stadtparks wo Noam unermüdlich seine Surfkünste auf einer Kartonunterlage verfeinerte.

Napa Valley

Nach dem Trubel der Stadt wollten wir uns die Weinberge im Nappa Valley, nördlich von San Francisco nicht entgehen lassen. Hier empfingen uns riesige Bäume, schöne grüne Wälder und Weinreben so weit das Auge reicht. Wir trinken fast keinen Alkohol und Weinkenner sind wir schon mal gar nicht und doch wollten wir die Erfahrung ein Weingut zu besuchen nicht missen. Im gesamten Tal gibt es so viele Weingüter, dass die Entscheidung schwer fiel. Für uns stand das Erlebnis im Vordergrund und nicht zwangsläufig die Weinverkostung. Somit entschieden wir uns für ein Weingut in einem Schloss. Das Castelano de Amaroso, ein nach Original südeuropäischen Vorbild nachgebautes Schloss war unsere Wahl. Die Umgebung war traumhaft und in dem romantischen Schloss fühlten wir uns wie in Italien. Die Kinder hatten ihre wahre Freude beim Entdecken der Burg, des Kerkers, der Ritterrüstungen und der vielen Weinfässer. Auch wir Eltern kamen in den Genuss einer Weinverköstigung und fühlten uns nach unserer monatelangen Abstinenz fast etwas beduselt. Wir liessen den Tag bei leckerem Essen, einen Bummel durch Napas Einkaufsstrasse und einem riesigen Eis ausklingen, bevor wir unser Nachtlager neben einem Spielplatz aufschlugen, wo wir die Nachbarn nicht zu stören schienen.

Am nächsten Tag machten wir dann  nochmals einen Abstecher zur Golden Gate Bridge um endlich ein Foto mit uns, dem Wohnmobil, der Brücke und etwas Sonne zu schiessen, was uns auch wirklich gut gelang.

Monterey

Weiter ging es nach Monterey, einer schönen kleinen Stadt südlich von San Francisco. Der Campingplatz auf einem Hügel in der Stadt war leider voll besetzt, was sich jedoch für uns als grosses Glück erwies. Der Weg dorthin war sicher 3km lang und führte stets bergauf. In Monterey selber fanden wir einen kostenlosen Parkplatz an der Strasse unweit des bekannten Aquariums, in dem wir einen ganzen Tag verbrachten. Die Kinder konnten nicht genug von den vielen Fischen bekommen und schauten dem Taucher sogar zweimal beim Füttern der Fische zu. Noam bewunderte voller Demut einen Leoparden- und Hammerhai, nur getrennt durch eine dicke Glasscheibe. Wir erkundeten die historische Innenstadt, faulenzten am Strand und machten den Spielplatz unsicher, bevor wir genug von dem vielen Nebel und der kalten Brise hatten.

Lake Nacimiento

Wir hatten die Hitze gewollt und nun war sie da. Nur ca. 70km von der kühlen Küste entfernt lag der Lake Nacimiento im Landesinneren und heisse 40 Grad Celsius schlugen uns entgegen. Auch die allgegenwärtige Dürre war unübersehbar. Die Hügel waren braun und trocken und der Wasserstand des Sees viele Meter unter dem ursprünglichen Niveau. Wir fanden einen Stellplatz in der Nähe des Sees und ruhten uns hier für die nächsten drei Tage aus. Einmal einfach nur Sein. Nicht fahren, nichts anschauen, einfach nur abhängen und baden. Nachdem wir die erste Nacht den gesamten Campingplatz noch fast für uns alleine hatten füllte es sich die beiden weiteren Nächte. Es wurde lauter, die Generatoren der grossen Reisemobile liefen den ganzen Tag, lärmten und stanken vor sich hin. Und leider wurde der Müll am See überall liegen gelassen, so dass wir uns freuten, nach drei Tagen wieder abreisen zu können.

Zunehmend mehr haben wir verstanden, warum in den so schönen Nationalparks strikte Vorschriften gelten und diese auch konsequent kontrolliert werden. Nur so bleibt es auch für die nachfolgenden Gäste schön und sauber.

2016-11-07T05:08:51+01:00