Der Norden der Baja California (Mexiko)

Nach einer warmen Nacht auf einem Campingplatz in der Nähe der mexikanischen Grenze wachten wir am Morgen mit gemischten Gefühlen auf. Wir werden vieles Bekannte verlassen.  Nach sechs Monaten fanden wir uns in den USA gut zurecht. Das Einkaufen wurde langsam zur Routine. Wir wussten was uns gut schmeckte und die Preise waren vergleichbar. Wir hatten ein Gefühl dafür bekommen, wo man sicher schlafen kann, wie viele Kilometer Fahrstrecke wir uns zumuten können und hatten uns an die guten Strassenverhältnisse gewöhnt. Die Sprache ging uns flüssig über die Lippen und Kontakt zu den Menschen aufzunehmen ging spielerisch. In einer Stunde sollte alles anders sein. Wir freuten uns auf das neue Abenteuer und hatten doch Bedenken. Wie ist die Sicherheitslage? Welches Essen wird uns schmecken? Wie wird unser Auto die Strassen meistern? Können wir uns mit den Menschen überhaupt verständigen? Werden wir einen sicheren Schlafplatz finden? Viele Menschen in den USA haben uns vor einer Weiterreise nach Mexiko gewarnt. Doch wir haben auch viele tolle Berichte gehört und nach der teuren und überlaufenen Zeit im Süden Kaliforniens war unsere Sehnsucht nach dem einfachen und einsameren Leben riesig.

Der erste Eindruck ..

In Tecate, einem kleinen Grenzübertritt nach Mexiko angekommen, kümmerten wir uns als erstes  um eine Autoversicherung für unser Wohnmobil. Und ja, ab nun beginnt der günstigere Teil unserer Reise. Eine Haftpflichtversicherung inklusive Kollisions- und Diebstahldeckung kostete uns nur ein zehntel der Versicherung für die USA. Der Abschluss ging schnell und problemlos, ebenso der Tausch von den ersten Dollar in mexikanische Pesos. Weiter ging es über die Grenze. Ein kurzer Blick von einem Zollbeamten in unser Wohnmobil und wir waren in Mexiko. Niemand wollte unseren Pass sehen. Wir waren einfach im Land. Doch um alles korrekt zu haben suchten wir uns in den engen, heissen Strassen einen Parkplatz um unser Visa zu besorgen. Wir füllten beim netten Beamten der Immigration unser Formular für die Touristenkarte aus, bezahlten die Visagebühren von ca. 20 Dollar pro Person am Einzahlungsschalter und sind nun stolze Besitzer der Touristenkarte mit einer Aufenthaltsbewilligung von sechs Monaten. Wir wollten auch noch einen Ausreisestempel der USA in unserem Pass haben und gingen dafür zur amerikanischen Einwanderungsbehörde. Doch die wollen davon nichts wissen. Hier in Tecate würden sie so etwas nicht machen. Naja, dann nicht. Eingedeckt mit kühlen Getränken und einem Eis befuhren wir die ersten Kilometer auf mexikanischer Seite.

Eine gut asphaltierte Strasse führte uns durch hügelige, trockene Landschaft, durchsetzt von vielen Weinbergen an die Pazifikseite nach Ensenada. Die Stadt hatte dann auch nicht mehr soviel Ähnlichkeit mit den US-Städten. Die Häuser waren kleiner, baufälliger oder gar nicht fertig gebaut. An der Strasse sahen wir wieder Stände an denen man alles kaufen konnte. Die Strassen hatten mehr Löcher und doch, es gefiel uns. Wir fanden einen Supermarkt, holten Geld aus dem EC-Automaten und deckten uns mit Lebensmitteln ein, denn unser Kühlschrank war leer, da nicht klar war, was wir alles nach Mexiko hätten importieren dürfen. Wir freuten uns sehr darüber, dass wir endlich haltbare Milch kaufen konnten, was in den USA schlicht nicht möglich war und immer viel Platz in unserem Kühlschrank eingenommen hatte. Mit der Zeit gewöhnten wir uns an die anderen Lebensmittel und finden auch hier unsere Favoriten.

Fidel’s Paradies

Die erste Nacht verbrachten wir auf einem Campingplatz in der Nähe von Ensenada am Meer. Es war Wochenende und der Platz zum Bersten voll, doch dies sahen wir erst, als wir schon für die Nacht bezahlt hatten. Wie die Sardinen in der Büchse quetschen wir uns zwischen die Zelte und Autos der hiesigen Camper und freuten uns auf die Weiterfahrt in weniger volle Gefilde. Am nächsten Morgen ging es weiter Richtung Süden, San Quintin war unser nächstes Ziel. Hier schlugen wir unser Lager bei Fidel`s Campground für 10 Dollar pro Nacht inklusive Strom, Wasser, heisser Dusche, schnellem Internet und direkter Lage am Strand auf. Fünf Nächte verbrachten wir hier. Planschten im Wasser, buddelten im Sand, lasen Bücher und liessen einfach mal die Seele baumeln, die neuen Eindrücke sacken und fanden die Ruhe, die wir im Süden Kaliforniens vermisst hatten. Das Wetter war grandios, tagsüber schön warm mit einem konstanten Wind und nachts so kühl, dass wir gut mit Bettdecke schlafen konnten.

Autopanne in der Wüste Mexiko’s

Die weitere Fahrstrecke gestaltete sich dann schwieriger als erwartet. Unser nächstes Ziel war Guerro Negro an der Pazifikseite. Der Weg dorthin führte durch die hügelige Wüste des Inlandes. Es war sehr heiss und die Sonne brannte gnadenlos auf unser Auto. Wir genossen die Aussicht auf die Kakteen-Wälder und doch war unser Blick konzentriert auf die Strasse gerichtet. Ab Catavina wurde die Strasse dann so schlecht, dass das Umfahren der riesigen Schlaglöcher in einen regelrechten Hindernislauf ausartete (und das ganze mit Gegenverkehr). Nach ca. 20km erwischte unser rechtes Vorderrad ein Schlagloch und alle Warnlampen unseres Armaturenbretts leuchteten auf. Die Warnblinker blinkten unaufhörlich und der Motor lies sich nicht mehr starten. So, da standen wir nun. Mitten im Nichts, in der sengenden Sonne bei Temperaturen um 44 Grad Celsius. Der Motor liess sich nicht wieder starten – da war nichts zu machen, wir steckten fest und hatten keine Ahnung, was die Fehlermeldung „FPS ON“ zu bedeuten hatte. Und auch im Handbuch fanden wir keinen Hinweis dazu! Schon nach kurzer Zeit hielt ein Baustellenfahrzeug mit Bauarbeitern. Sie versuchten uns zu helfen doch wir kamen nicht weiter. Wir wussten damals noch nicht, ob und wenn wo unser Abschlepphacken war. Und wir hatten auch kein Abschleppseil dabei. Ja, hier haben wir noch Optimierungspotential. Die Bauarbeiter fuhren 15km bis zur nächsten Abzweigung und organisierten uns einen Abschleppdienst. Dieser traf auch 40 Minuten später ein. In dieser Zeit fanden wir unseren Abschlepphaken und konnten uns nach Gesprächen mit anderen hilfsbereiten Autofahrern zusammenreimen, was das Problem war. Unser Auto interpretierte den harten Schlag als Unfall und schaltete aus Sicherheitsgründen die Kraftstoffpumpe ab. Unser Fiat hat das Fire Protection System (FPS) aktiviert – deshalb diese Fehlermeldung. Doch ohne Internetverbindung konnten wir einfach nicht herausfinden, wo die Konstrukeure in Italien den FPS Schalter verbaut haben. Der Abschleppwagen kam, versuchte uns aufzuladen, was aufgrund unserer tiefen Vorderschürze nicht möglich war. Somit wurden wir an einer Stahlkette hängend hinterhergeschleppt. In der Werkstatt (mit mehr schrotten als heilen Autos) fand der junge Mechaniker über das Internet schnell heraus, wo sich der Reset Knopf befand. Nach kurzer Zeit war unser Auto wieder fahrbereit und wir wissen uns nun auch selber zu helfen. Falls erforderlich können wir solch ein Problem beim nächsten Mal selber beheben. Zudem sind wir jetzt mit einem Abschleppseil ausgestattet, was wir nun, da wir es haben wahrscheinlich nicht mehr brauchen werden.

Für heute war uns die Lust am Fahren vergangen. Wir suchten ein kleines Fischerdorf auf und stellten uns an den Strand um dort zu schlafen. Der Security, der den sich im Bau befindenden Hafen bewachte begrüsste uns freundlich und signalisierte uns, dass wir in seiner Bucht sicher schlafen können. So schliefen wir ruhig und sicher und die Kinder entdecken die vielen Fischskelette am Strand am nächsten Morgen und freuten sich über all ihre Funde. Die nächste Nacht verbrachten wir in Guerro Negro bei sehr warmen Temperaturen. Wir deckten uns mit Bargeld ein und füllten unseren Kühlschrank wieder auf. Da im Moment leider keine Grauwale zu sehen waren gab es für uns hier nichts weiter zu entdecken und wir fuhren weiter nach San Ignacio. Hier befindet sich mitten in der Wüste eine Oase mit vielen Palmen und einem grossen Frischwassersee. Wir besuchten die alte Missionskirche in der gerade einige Kinder Tänze für das abendliche Fest probten. Auf dem grossen Vorplatz gab es wegen dem Fest einige Stände. Die Kinder konnten schöne Bilder malen und wir Erwachsenen probierten die lokalen Köstlichkeiten. Weiter fuhren wir nach Santa Rosalia, dessen Schönheit wir irgendwie nicht so richtig entdecken konnten. Die Nacht verbrachten wir an einer wunderschönen Bucht auf einem Campingplatz. Doch die Nacht war unbeschreiblich heiss und schwül. Vor lauter Mücken flüchteten wir uns in unser Wohnmobil und schlossen alle Insektengitter. Es ging kein Wind und Heike hatte fast das Gefühl zu ersticken. So schön die Bucht auch war, hier wollten wir nicht bleiben. Am nächsten Morgen kauften wir uns einen Kühlventilator. Wir fragten uns selbstkritisch: „Ist das jetzt die hochgelobte Baja California?“ Es war uns einfach viel zu heiss und die Ortschaften und Stellplätze hielten auch nicht das, was sie versprachen. Aber was solls, wir wollen in den Süden der Insel, denn dort gibt es die Fähre aufs Festland.

Neue Bremsbacken für unseren Carthago

Dann kamen wir in Loreto an. Hier gab es alles, was unser Herz begehrte. Es gab eine nette Strandpromenade, eine kleine gemütliche Altstadt und eine nette Auswahl an schönen Restaurants. Wir genossen hier drei Nächte, wobei unser neuer Lüfter gute Dienste leistete. Wir assen leckere mexikanische Gerichte (für wenig Geld) und erfrischten uns mit selbstgemachter Eis-Creme. Notfallmässig suchte Stefan eine kleine Autowerkstatt auf, da unsere Vorderbremsen laute Kratzgeräusche von sich gaben. Die Mechaniker waren sehr hilfsbereit, montierten unsere Vorderräder ab und die Bremsklötze zerfielen schon fast in ihren Händen. Natürlich gab es hier keine Fiat-Originalteile und doch war allen klar, dass wir mit diesen Bremsklötzen nicht mehr weiter fahren konnten. Kurzerhand wurde die Ehefrau des Mechanikers in den nächsten Autoteile-Laden geschickt. Sie kam mit zwei verschiedenen Produkten zurück. Eines der Produkte passte perfekt und wurde umgehend eingebaut. Da leider unsere Bremsscheiben auch etwas gelitten hatten, wurden diese noch (nach alter Schule) auf der Drehbank glatt gedreht und die Bremsen funktionierten wieder einwandfrei. Während dieser Zeit wollte Heike ein paar nette Stunden mit den Kindern am Strand verbringen. Was nach dem Bad im Meerwasser jedoch ein schnelles Ende fand. Jala kam beim Planschen mit einer angespülten kleinen Qualle in Berührung. Lange Fäden klebten sich an ihrem Fuss und führten zu schmerzhaften Verbrennungen. Nach Rücksprache mit den Einheimischen wussten wir, dass es zwar schmerzhaft aber nicht weiter gefährlich war.

Scorpion-Bay .. der beste Surf-Strand der Welt

Die Campingplatzbetreiberin gab uns dann noch einen Tipp, welchen Strand wir auf jeden Fall besuchen sollten. Hier sei das Wetter sehr angenehm und die Wellen zum Surfen weltklasse. Doch wir fanden auf keiner unserer Karten eine geteerte Strasse nach San Juanico. Für eine so lange Strecke Offroad war unser Wohnmobil wirklich nicht gemacht. Doch die gute Frau versicherte uns, es gäbe eine neue geteerte Strasse. Mit voll gefülltem Kühlschrank machten wir uns auf den Weg 180km in die Pampa. An der offiziellen Abzweigung nach San Juanico standen wir nun inmitten einer Steinpiste vor einem kleinen Fluss, denn es zu durchfahren gab. Das konnte nicht der richtige Weg sein. Mit Händen und Füssen erkundigten wir uns bei der lokalen Bevölkerung nach dem Weg. Eine nette Frau schickte uns einige Abzweigungen zurück wo wir dann tatsächlich eine geteerte Strasse nach San Juanico fanden. So erreichten wir einen tollen Surferstrand mit den längsten Wellen der Welt. Wir fragten die Besitzer der kleinen Strandbar, ob wir bei ihnen auf der Klippe campieren dürften und sie waren einverstanden. Schnell lernten wir die amerikanischen Familien, die hier ihren Sommerurlaub verbrachten sowie einige Auswanderer kennen. Noam schloss Freundschaft mit Ryan und die beiden verbrachten meist den gesamten Tag mit ihren Surfbrettern im Wasser. Noam angelte hier seinen ersten Fisch und beschloss, nachdem er zugesehen hatte wie Stefan diesen ausgenommen hatte, keine weiteren Fische zu töten, denn die seien so hoffnungslos. Gott sei Dank, bleiben wir von weiteren Tötungsaktionen verschont. Sechs Nächte waren wir in San Juanico, genossen den Strand, das klare Wasser, die tollen Wellen, die vielen netten Gespräche und das Nichtstun. Da es bis auf einen kleinen Tante Emma Laden nichts gab, wurden wir nicht zum Geld ausgeben verführt. Was für eine günstige Woche! Traurig trennten wir uns nach dieser Woche von Ryan und seiner Familie. Noam musste Abschied nehmen von seinem neuen Freund, denn auch Ryan machte sich auf den Heimweg in die USA, wo am Montag die Schule losging. Unsere Freude an der Baja California ist wieder zurück. Loreto hat uns versöhnlich gestimmt, unser Kühlventilator lässt uns nicht mehr vor den heissen Nächten zurückschrecken und die Woche in San Juanico waren Ferien pur. Jetzt werden wir schauen, was der Süden noch zu bieten hat! Wir freuen uns! Und ja, wir fühlen uns sehr sicher hier in Mexiko auf der Baja California.

2016-11-07T05:08:48+01:00